Donnerstag, 29. April 2010

Die kath. Kirche und die Menschenrechte - Hat die Kirche die Menschenrechte erfunden?

Die Katholische Kirche und die Menschenrechte

Hat die Kirche die Menschenrechte erfunden?

Von Karl Weiss

Im vergeblichen Versuch, die Katholische Kirche von allen Vorwürfen bezüglich ihrer Handhabung der Fälle von sexuellen und anderen Übergriffen reinzuwaschen, schreibt ein Redakteur der „Süddeutschen“ wohl einen der kuriosesten Artikel, die man dort je gelesen hat. Er versucht mit der Religion die Taten der Kirche zu erklären, aber es geht hier nicht um Religion, es geht um das ganz weltliche Verhalten dieser Kirche.

Die Praxis der Kirche, die von den meisten Fällen sexueller und anderer Übergriffe gegen Kinder (und abhängige junge Jugendliche) sehr wohl wusste, ist es, die zur Empörung über ihre weltliche Organisation führt, nicht die Befürwortung oder nicht der Lehren von Jesus Christus.

Die Kirche hat die Täter praktisch nie der bürgerlichen Justiz ausgeliefert. Sie hat sich damit den Zustand des Staates im Staate angemasst, in dem die weltlichen Gesetze nicht gelten. Die Kirche hat die Anklagen von Kindern und Jugendlichen und von Angehörigen und anderen Helfern der Opfer zuerst immer als „erfunden“ und Diffamierung“ bezeichnet. Sie hat den Opfern mit Prozessen gedroht, wenn sie weiterhin reklamieren. War ein Übergriff nicht mehr zu verheimlichen, so hat sie solche Opfer mit Geldzahlungen und Schweigeverträgen gebunden, um die Fälle nicht an die Öffentlichkeit kommen zu lassen.

Erkannte Kinderschänder in der Priesterrobe hat sie nicht aus dem Verkehr gezogen. Kein einziger Priester wurde bis heute seiner Priesterwürde beraubt oder sogar exkommuniziert wegen Vergewaltigungen von Kindern. Im Gegenteil, die allgemeine Praxis war und ist, die erwiesenermassen nicht mit ihren sexuellen Gelüsten zurechtkommenden Würdenträger andernorts wieder in Priesterstellen einzusetzen und erneut Übergriffe zu ermöglichen.

Unter dem Titel “Tödliche Entschuldigung” behauptet ein gewisser Seibt in der „Süddeutschen“ vom 23. 4. 2010, es sei selbstzerstörerisch für die katholische Kirche, sich zu entschuldigen. Die logische Folgerung, die sich ergibt: Katholische Kirche, bleibe fest, entschuldige dich nicht! Er erklärt, was er meint: Die Kirche beziehe sich auf Gott, nicht auf die Menschen.

Für sie ist das Opfer nach einem sexuellen Übergriff auf ein Kind nichts, das ihr Interesse hat, denn das Opfer ist unschuldig, sein Verhältnis zu Gott ist nicht gestört, sonder das des Täters. Sie muss sich um den Sünder kümmern, den Priester oder Mönch. Das innerkirchliche Strafritual wird abgespult und am Ende erhält der Sünder die Absolution – und damit ist das Geschäft der Kirche erledigt.

Diese Haltung, die Seibt in keiner Weise kritisiert, hätte dazu geführt, dass von aussen gesehen das Vorgehen „nur noch wie Täterschutz oder wie Selbstschutz der Institution Kirche anmutet“. Er schriebt „anmutet“, will heissen, das ist es nicht!

Das ist schon starker Tobak! Einer der Kommentare zu diesem Artikel sagt denn auch:

„"Bizarr" nennt es Seibt, wenn ein kirchlicher Würdenträger sein Bedauern über begangene Verfehlungen ausdrückt, und schiebt auch noch den Vergleich mit Mielkes Verhalten beim Untergang der DDR hinterher - und das ist nun wirklich bizarr. Denn außer dass die beiden Namen mit "Mi" beginnen, wird schwerlich ein Vergleichspunkt zwischen den beiden Fällen zu entdecken sein. Aber verfehlte Vergleiche haben in der Redaktion der SZ schon schlimme Tradition. Seibt hat sich jedenfalls mit diesem Artikel aus der Riege der ohnehin schon wenigen noch ernst zu nehmenden Redakteure der SZ endgültig verabschiedet.“

Doch das ist noch nicht alles Absurde, was uns der Autor zu bieten hat. Nein, er hat noch zwei „Sahnestückchen“ aufgehoben: Zuerst behauptet er, sich beziehend auf einen Artikel in der „Welt“, es sei das „Neue Testament“, also die Bibel gewesen, das „den Schutz der Kinder vor geschlechtlichem Missbrauch in einer Welt verkündigte, die Bedenken gegen erotische Beziehungen mit Kindern nicht kannte; der Schutz der Kinder ist genuin christliche Botschaft“.

Das nun allerdings ist wirklich ein heftiger Trick. Es geht um das Verhalten der Katholischen Kirche. Wenn irgendjemand heute ernsthaft erwägt, aus dieser Kirche auszutreten, so wegen deren Verhalten, nicht wegen der christlichen Botschaft. Das Problem dieser Kirche ist ja gerade, dass sie die christliche Botschaft vor sich herträgt wie eine Monstranz, aber sich kaum je einen Deut um deren Inhalt geschert hat.

Im gesamten Mittelalter, das in ganz Europa von der katholischen Kirche dominiert war, wurden kleine (und jugendliche) Mädchen an ältere Herren (oder manchmal an gar nicht so alte) verkuppelt, zum Teil unter dem Vorwand, die beiden würden später ja heiraten, zum Teil hat die Kirche sogar solche Ehen mit Kindern geschlossen. Jeder hochgestellte Herr, dessen Frau verstorben war, hatte ein Recht auf jungen, knackigen „Nachwuchs“. Bis weit in die Neuzeit hinein hat die Katholische Kirche nicht das geringste daran auszusetzen gehabt, dass die sexuellen Gelüste von „Herren der Gesellschaft“ mit Mädchen in zartem Alter befriedigt wurden, sie hat sich an diesen „Geschäften“ vielmehr aktiv beteiligt, speziell wenn es darum ging, ihre eigene weltliche Macht abzusichern.

Das ist einer der infamen Tricks derer, die nun das Image der Kirche retten wollen: Sie vermischen die Kirche als diesseitige und weltliche Institution mit dem christlichen Glauben, mit der Lehre von Jesus. Nur: Die Fälle sind Legion, in denen die Kirche zwar verkündete, aber das Gegenteil tat als weltliche Institution, und im Grunde wissen dies auch alle.

Am Ende des Artikels versteigt sich Seibt noch ein zweites Mal zu diesem Versuch des Reinwaschens: Die Menschenwürde, so schreibt er, „das war einmal eine christliche Erfindung“. Auf welche Bibelstelle er sich auch immer damit beziehen mag: Das, was wir heute als Menschenwürde definieren und was seinen Ausdruck in der Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen gefunden hat, musste durch die Aufklärung im heftigen Kampf gegen die reaktionären Kräfte erfochten werden, allen voran gegen die Katholische Kirche – und das bin in die jüngste Vergangenheit! Nun im nachhinein in einem Artikel über die Katholische Kirche gewissermassen deren Urheberrecht daran zu reklamieren, das ist denn doch zu viel!

Veröffentlicht: 29. April 2010

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